Verfasst von: gdittrich | 21. Oktober 2020

Kein Sättigungsmahl mehr

1Kor 11,17 Wenn ich schon einmal Anweisungen gebe: Ich kann es nicht loben, dass eure Gemeindeversammlungen den Aufbau der Gemeinde nicht fördern, sondern beeinträchtigen. 18 Erstens wurde mir berichtet, dass es unter euch Spaltungen gibt, wenn ihr zusammenkommt. Ich glaube, dass dies mindestens teilweise zutrifft. 19 Es muss ja auch zu Spaltungen unter euch kommen, damit offenbar wird, wer sich bei euch im Glauben bewährt.

Abermals ringt Paulus darum die Gemeinde im Inneren zusammenzuhalten und voranzubringen.

20 Wenn ihr zusammenkommt, feiert ihr in Wirklichkeit gar nicht das Mahl des Herrn. 21 Denn bevor das gemeinsame Mahl beginnt, fangen die Anwesenden schon einmal an zu essen, was sie mitgebracht haben; und wenn dann die später Kommenden hungrig eintreffen, sind die Ersten schon betrunken.

Paulus warnte die Korinther ja bereits vor der Teilnahme am Götzenopfermahl (vgl. Kap. 10,14ff). Nun kritisiert er ihre Zusammenkünfte, die eigentlich geistlich orientierte, gemeinschaftliche Feiern sein sollten, aber nun mehr Trinkgelagen ähneln.

Durch die Polarisierung „hungrig“ (Grundbedürfnis nicht gestillt) vs. „betrunken“ (Luxus ausgelebt) wird logischerweise das Gemeinschaftsgefühl strapaziert und auf die Probe gestellt.

22 Könnt ihr denn nicht zu Hause essen und trinken?

Seit den Zeiten der Urgemeinde war das Feiern des Mahl des Herrn und das gemeinsame Essen eng miteinander verknüpft und hatte einen zentralen Platz im Gemeindeleben.

  • Apg 2,46 Tag für Tag versammelten sie sich einmütig im Tempel, und in ihren Häusern hielten sie das Mahl des Herrn und aßen gemeinsam, mit jubelnder Freude und reinem Herzen.

Nun empfiehlt Paulus das gemeinsame „Herrenmahl“ im Gottesdienst vom Sättigungsmahl im eigenen Haus zu trennen. Die Korinther sollen bereits zu Hause essen und trinken, um anschließend in der Gemeinschaft ein explizit kultisch geprägtes Mahl zu halten (weiter ab Vers 33).

Oder verachtet ihr die Gemeinde Gottes und wollt die unter euch beschämen, die nichts haben? Was soll ich dazu sagen? Soll ich euch loben? In diesem Punkt lobe ich euch nicht!

Als Begründung gibt er an, dass mit der bisherigen Vermischung von heiligen und alltäglichen Dingen einige Gemeindemitglieder von den Gemeindeveranstaltungen defacto ausgeschlossen werden. Ihre empfundene Scham wegen Armut wird zum einheitsfeindlichen Hindernis.

Herrenmahl

Trotz der Loslösung der sakralen von der profanen Mahlzeit bekräftigt Paulus das Abendmahl als selbstverständliches und unaufgebbares Gemeindegeschehen.

23 Ich nämlich habe als Überlieferung, die vom Herrn kommt, empfangen, was ich euch weitergegeben habe:

Die sinnhafte Handlung ist prinzipiell nicht verhandelbar, weil man die Ausführung direkt auf Jesu Willen zurückführen kann. Paulus formuliert im Folgenden das rechte Verständnis des Mahls des Herrn, das quasi als Glaubensformel bis heute gilt.

  • In der Nacht, in der Jesus, der Herr, ausgeliefert wurde, nahm er Brot, 24 sprach darüber das Dankgebet, brach es in Stücke und sagte: »Das ist mein Leib, der für euch geopfert wird. Tut das immer wieder, damit unter euch gegenwärtig ist, was ich für euch getan habe!«

Die katholische Vorstellung betont die Gleichsetzung („ist“) des Brotes mit dem Leib Christi, während die evangelische Auffassung den Gedächtnischarakter („immer wieder“) in den Mittelpunkt stellt.

  • 25 Ebenso nahm er nach dem Essen den Becher und sagte: »Dieser Becher ist Gottes neuer Bund, der durch mein Blut in Kraft gesetzt wird. Tut das, sooft ihr von ihm trinkt, damit unter euch gegenwärtig ist, was ich für euch getan habe!«

Beiden Glaubensrichtungen ist die Vorstellung wichtig diesen Moment der Bundeseinsetzung durch Vergegenwärtigung der Herrentat im Blick zu behalten. Jesus Christus wird dabei durch die Erinnerung an seine Erlösungstat in den Gaben von Brot und Wein sogar selbst gegenwärtig.

  • 26 Jedes Mal also, wenn ihr dieses Brot esst und von diesem Becher trinkt, verkündet ihr damit die Rettung, die durch den Tod des Herrn geschehen ist, bis er wiederkommt.

Das jeden einzelnen betreffende Erlösungsgeschehen wird nun als gemeindliche Aufgabe und ständige Wirklichkeit zum Akt der Proklamation und Verkündigung. Es hat darüber hinaus eschatologische Bedeutung, d.h. es steht im Horizont der erwarteten Wiederkunft des Herrn.

Vorläufiges und endgültiges Gericht

27 Wer daher auf unwürdige Weise das Brot des Herrn isst und von seinem Becher trinkt, macht sich am Leib und am Blut des Herrn schuldig. 28 Darum sollt ihr euch prüfen, bevor ihr das Brot esst und von dem Becher trinkt. 29 Denn wenn ihr esst und trinkt ohne Rücksicht darauf, dass ihr es mit dem Leib des Herrn zu tun habt, zieht ihr euch durch euer Essen und Trinken Gottes Strafgericht zu.

Was ist eine unwürdige Weise? Sicherlich ein bedenken- und gedankenloses Fressen und Saufen. Auch in heutiger Zeit verzichten Gläubige aus empfundener Unwürdigkeit und aufkommender Angst auf den Kommuniongang. Aber dabei wird oftmals Gottes allzeitige Liebe und die Chance zur Reue/Buße nicht in Betracht gezogen und ergriffen. Denn nicht sündige Taten sollen uns von der Kommunion abhalten, sondern die leichtfertige Haltung.

30 Das ist ja auch der Grund, weshalb viele von euch schwach und krank sind und nicht wenige sind sogar gestorben.

Wie schlägt Paulus nun die Verbindung zu unseren Lebensumständen?! Möglicherweise können geistige Nachlässigkeiten bei manchen tatsächlich zu instabilen psychischen Verhältnissen führen. Aber die eucharistische Verfehlung als Todesursache zu sehen, ist doch schwer vorzustellen??

Und Vorsicht beim Umkehrschluss. Nicht jede Schwäche und Krankheit ist gleich durch mangelnde Geistlichkeit bedingt.

31 Wenn wir uns selbst zur Rechenschaft ziehen würden, müsste der Herr uns nicht auf diese Weise richten.

Es ist sicherlich nicht verkehrt unser Denken und Handeln von Zeit zu Zeit zu überdenken (Gewissensprüfung). Aber in empfundener Schwachheit, Krankheit und Tod ein jetzt schon stattfindendes Gericht Gottes erkennen, scheint weit hergeholt zu sein?!

32 Wenn er es aber tut, dann geschieht es, um uns zurechtzuweisen, damit wir nicht im letzten Gericht zusammen mit der ungläubigen Welt verurteilt werden.

Vielleicht können wir die uns getroffene Unglücke als Erziehungsmittel Gottes deuten. Gott will uns dadurch wach rütteln, appelliert an unsere Einsicht und ruft uns durch die Umkehr wieder näher zu sich.

Im Licht von Kap.3,12-15 besehen, wonach wir über unsere Taten hinaus gerettet werden, berührt das Herrenmahl wohl als geistliches Geschehen über allen Handeln auch unser Sein. Die logische Konsequenz: Das Herrenmahl muss nach besten Wissen und Gewissen ernsthaft begangen werden!

33 Meine Brüder und Schwestern, wenn ihr also zusammenkommt, um das Mahl des Herrn zu feiern, dann wartet aufeinander. 34 Wer zu großen Hunger hat, soll vorher zu Hause essen. Sonst bringen eure Versammlungen euch nur Bestrafung ein. Alles Weitere werde ich regeln, wenn ich komme.

Paulus verfolgt in diesem Abschnitt den Einheitsgedanken weiter. Sein zentrales Anliegen ist es durch einflussnehmende Regelungen ein Auseinanderdriften der Gemeinde zu verhindern und ihre Geschlossenheit zu bewahren. Die Korinther sollen sich wieder aneinander ausrichten und aufeinander beziehen. So werden sie ein erkennbares Ganzes bilden und bleiben.


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