Gerechtigkeit und Gnade
„Der Gott der Psalmen ist kein gleichgültiger, an der Welt uninteressierter Zuschauer. Er ist der Richter von Welt und Geschichte, vor dem sich die, die Unrecht tun, verantworten müssen, und bei dem die Bedrängten und Betrogenen Recht finden. In diesem Zusammenhang der Gerechtigkeit spricht die Bibel vom Zorn Gottes. (…) Der Kampf gegen Unrecht und Gewalt und die, die dafür verantwortlich sind, wird sozusagen zur ‚Chefsache‘ erklärt; die Vergeltung ist nichtMenschensache, sondern wird an Gott abgegeben“ (Ursula Silber).
Spurgeon kommentiert: „Der Name, womit der Herr hier angeredet wird, Gott meiner Gerechtigkeit, verdient Beachtung, da er sonst nirgends in der Schrift gebraucht ist. Er bedeutet: Du bist der Urheber, der Zeuge, der Erhalter, der Richter und der Vergelter meiner Gerechtigkeit; auf dich berufe ich mich bei den Schmähungen und harten Urteilen der Menschen. Das ist Weisheit, die der Nachahmung wert ist. Lasst uns, Brüder, unsere Klagen nicht vor dem niedrigen Gerichtshof des Urteils der Leute vorbringen, sondern vor dem höchsten Gerichtshof vor dem königlichen Gericht des Himmels“. Gottes Güte, Feinde und NamenDie Logik der Güte Gottes besteht darin: Weil Gott gut ist, wird er den Feind besiegen. Was für den Psalmbeter der Ausgleich der erlittenen Pein darstellt, kann für den Peiniger sogar einen grausamen Tod bedeuten – freilich als Strafe für begangene und selbst zu verantwortende Gräuel.
„Die Feinde des Beters sind streng genommen ‚Feinde Gottes‘. Sie wollen Gott das Recht auf die Herrschaft über sein Volk streitig machen. Deshalb ist der Beter so gegen die Feinde, die nicht nur ihm schaden wollen, sondern dem Ruf Gottes“ (Jakob Stehle).
In der Auseinandersetzung des Volkes Israels mit seinen Feinden geht es gerade auch um Gott – Gottes Namen, seine Heiligkeit, seine Ehre, sein Ansehen stehen auf dem Spiel. Von Gott wird gefordert selbst für die gemeinsame, gerechte Sache einzutreten. Gott soll seine Macht, Regentschaft und Herrschaft zeigen; ER soll demonstrieren, dass er alles Geschehen auf Erden kontrolliert.
Der schwache Mensch kann das Böse nicht selbst aus der Welt schaffen„Trotzdem dürfen wir nicht vergessen, dass die Beter in so tiefer Bedrängnis waren, dass sie Gott um Bestrafung beten mussten, damit das Unrecht ein Ende findet. Ob wir mit Recht solche Psalmen als „Rachepsalmen“ bezeichnen, bleibt umstritten, geht es doch letztlich nicht um „Rache“ sondern um die Bitte, dass Gott das Böse bestraft. Die Fluchpsalmen zeigen uns das Ende der Eigenhilfe des Menschen gegenüber dem Bösen; Gott muss eingreifen, um das Böse einzudämmen und zu bestrafen“ (Jakob Stehle).
„Es geht um Rettung aus Todesnot, die von Gott erwartet wird. Das ist der zentrale Punkt: ‚Nicht die Feinde sind wichtig, alles dreht sich darum, dass Gott dem Beter hilft!‘ (…) Das böse Tun soll verhindert oder zumindest so schnell wie möglich beendet werden! Dabei geht es immer um ein Begrenzen und Reduzieren der Gewalt. (…) Der Zorn über Ungerechtigkeit und Verletzung muss zur Sprache kommen dürfen, auch der Wunsch danach, dass der Gewalt Einhalt geboten wird und die, die Böses tun, zur Rechenschaft gezogen werden“ (Ursula Silber). Die Sprache der Psalmisten erscheint oft krass und radikal.
Ja, Gott schafft zu seiner Zeit den Ausgleich, ER stellt den Leben ermöglichenden Zustand wieder her. Und trotzdem und weiterhin gibt es Leid und Leiderfahrungen in der Welt. Aber – wie bereits gesagt – ist es Gottes Sache für die Herstellung von Recht und Gerechtigkeit zu sorgen. Der Mensch hat dabei einen eher anzeigenden Part inne, indem er Gott lediglich auf das Leid „aufmerksam macht“ und geduldig auf Gottes Eingreifen wartet.
Der schwache Mensch soll das Böse nicht selbst aus der Welt schaffen
In einem modernen Psalm klagt eine Frau (Carola Moosbach), die als Kind missbraucht wurde … „Ich fordere Deine Gerechtigkeit Gott hilf mir tritt Du für mich ein lass ihn zittern vor Angst diesen Kinderseelenmörder zu einem Nichts schrumpfen soll seine Seele Du sollst mein Racheengel sein Gott hilf mir tritt Du für mich ein lass ihn nicht davonkommen diesen ehrbaren Schrebergärtner erfinde die Hölle neu für ihn Du allein bist stärker als er Gott hilf mir tritt Du für mich ein lass meinen Körper wieder ganz allein mir gehören Gott schmeiß ihn aus meiner Seele Nur Du kannst mich von ihm freikämpfen Gott hilf mir tritt Du für mich ein und sag Deinen Leuten sie sollen mit ihrem Gesäusel aufhören bis in die Schrebergärten muss man sie hören In mir tut alles so weh Schwester Gott hilf mir tritt Du für mich ein lass es nicht diesen Dreckskerl sein der als letzter lacht Gott und erlöse mich von meinem Vater für immer Amen Ist man nicht hilflos, wird man nicht wütend gegenüber den Mann, der statt Schutz und Fürsorge unsägliches Leid über sein eigenes Kind bringt? Muss der Täter nicht alle Härte der Bestrafung spüren? Und dennoch: Jesus starb auch für die Sünden von Verbrecher und Schwerverbrecher. Als Jesus für die Schuld der Menschen ans Kreuz ging, ging Gott mit der Hingabe seines Sohnes bis zum Äußersten. In Jesu stellvertretender Übernahme der Sünde der ganzen Welt, wurde allen Menschen die Chance der Umkehr und der Auferstehung mit Jesus ermöglicht. Denn der schwache Mensch kann auch das Böse, das er selbst verbrochen hat, nicht selbst wieder aus der Welt schaffen. Doch Gott tat es! Natürlich sträubt sich in uns alles mit anzusehen, dass sogar einen Kinderschänder vergeben werden kann. Meinen wir dabei Gott vorschreiben zu können, auf welche Weise er zu handeln hätte?! Wenn es für uns Menschen auch schier undenkbar ist, denkt doch Gott anders … denn zur Gerechtigkeit gehört gerade auch Gnade und Erbarmen.
Vielleicht gestehen wir uns selbst nicht die Chance der Vergebung zu, für etwas, das wir getan oder nicht getan haben. Doch: die Kreuzestat Jesu gilt unmittelbar auch für uns. Wir dürfen zu Jesus kommen und uns mit Gott versöhnen lassen, um dann als Versöhnte zu leben und der Welt mit Liebe zu begegnen.
Quellen: Carola Moosbach, Gottesflamme Du Schöne. Lob- und Klagegebete Jakob Stehle, Kleines Begriffslexikon, Stichwort: Fluchpsalmen („Rachepsalmen“) http://www.glauben-und-bekennen.de/besinnung/begriffe-f/fluchpsalmen.htm Ursula Silber, ‚Das Eingeklammerte beten wir nicht mit‘!? Zur Problematik der „Feindpsalmen“ in der christlichen Rezeption Klicke, um auf VortragUrsulaSilber-deutsch.pdf zuzugreifen Charles HaddonSpurgeon, Die Schatzkammer Davids |
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