Verfasst von: gdittrich | 13. Juli 2012

Musterjünger

von blind zu sehend

Der Blindgeborene erhält nicht nur seine physische Sehfähigkeit, sondern wird auch im Glauben „sehend“, indem er zu Jesus findet. Er erliegt nicht dem Druck der Jesusgegner und weicht auch nicht der Glaubensfrage aus, sondern bekennt sich mutig zu Jesus und wird sein Jünger.
Otto Dix, Die Blindenheilung, Lithographie
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Gute Nachricht-Übersetzung

Joh 9,1 Im Vorbeigehen sah Jesus einen Mann, der von Geburt blind war. 2 Die Jünger fragten Jesus: »Rabbi, wer ist schuld, dass er blind geboren wurde? Wer hat hier gesündigt, er selbst oder seine Eltern?«

Die Jünger wenden sich an den Rabbi Jesus, dem sie entscheidende Lehrautorität zugestehen. Sie vermuten einen Zusammenhang von Sünde und Krankheit.
 
3 Jesus antwortete: »Weder er ist schuld noch seine Eltern. Er ist blind, damit Gottes Macht an ihm sichtbar wird. 4 Solange es Tag ist, müssen wir die Taten Gottes vollbringen, der mich gesandt hat. Es kommt eine Nacht, in der niemand mehr wirken kann. 5 Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt
Jesus weist die Verbindung zurück und dreht die Fragerichtung um: Nicht das „Woher“ des Leides ist entscheidend, sondern das „Wozu“. Die Werke Gottes sollen offenbar werden und Jesus soll sich als das „Licht der Welt“ erweisen, so wie er es erklärt hat.
 
• Joh 8,12 Jesus sprach weiter zu den Leuten: »Ich bin das Licht für die Welt. Wer mir folgt, tappt nicht mehr im Dunkeln, sondern hat das Licht und mit ihm das Leben.«
 
6 Als Jesus dies gesagt hatte, spuckte er auf den Boden und rührte einen Brei mit seinem Speichel an. Er strich den Brei auf die Augen des Mannes 7 und befahl ihm: »Geh zum Teich Schiloach und wasche dir das Gesicht.« Schiloach bedeutet: der Gesandte. Der Mann ging dorthin und wusch sein Gesicht. Als er zurückkam, konnte er sehen.
Der Mann gehorcht; er hinterfragt nicht, sondern macht das was Jesus ihm sagt; er hört und tut es.
 
8 Da sagten seine Nachbarn und die Leute, die ihn vorher als Bettler gekannt hatten: »Ist das nicht der Mann, der immer an der Straße saß und bettelte?« 9 Einige meinten: »Das ist er.« Andere sagten: »Nein, er ist es nicht; er sieht ihm nur ähnlich.« Der Mann selbst bestätigte: »Ich bin es!« 10 »Wieso kannst du auf einmal sehen?« fragten sie ihn.
Im Volk herrscht Uneinigkeit über die Bewertung des Vorfalls. Die Nachbarn und Bekannten befragen den ehemals Blinden, um sich Klarheit zu verschaffen.
 
11 Er antwortete: »Der Mann, der Jesus heißt,
Seine Jesus-Beziehung ist distanziert; er kennt zwar seinen Namen, weiß wie man ihn nennt, doch gesehen/erkannt hat er ihn noch nicht.
 
machte einen Brei, strich ihn auf meine Augen und sagte: ‚Geh zum Teich Schiloach und wasche dein Gesicht.‘ Ich ging hin, und als ich mich gewaschen hatte, konnte ich sehen.« 12 »Wo ist er?« fragten sie ihn. Er antwortete: »Ich weiß es nicht.«
Der Geheilte gibt bereitwillig Auskunft; er sagt es weiter und zeugt von seiner Heilung. „Sein Zeugnis war einfach, doch überzeugend. Er erzählte alle Tatsachen, die zu seiner Heilung geführt hatten, und gab dem die Ehre, der das Wunder vollbracht hatte“ (William MacDonald, S. 409).
 
Die Pharisäer verhören den Geheilten 13 Sie brachten den Mann, der blind gewesen war, vor die Pharisäer. 14 Der Tag, an dem Jesus den Brei gemacht und den Blinden geheilt hatte, war ein Sabbat.
Aus der Befragung wurde ein Verhör durch die religiös Einflussreichen, denn das Kneten von Teig gehörte zu den ausdrücklich am Sabbat verbotenen Arbeiten.
 
15 Auch die Pharisäer fragten ihn, wie er sehend geworden sei. Er erzählte ihnen: »Der Mann strich einen Brei auf meine Augen, ich wusch mein Gesicht, und jetzt kann ich sehen.« 16 Einige von den Pharisäern sagten: »Wenn er das getan hat, kann er nicht von Gott kommen, weil er die Sabbatvorschriften nicht einhält.« Andere aber sagten: »Wie kann jemand ein Sünder sein, der solche Wunder vollbringt?« Die Meinungen waren geteilt.
Letztlich waren sich auch die religiösen Führer – wie die Nachbarn und Bekannten – uneins in der Beurteilung des Heilungsgeschehens.
 
17 Da befragten sie den Geheilten noch einmal: »Was hältst denn du von ihm? Du bist doch der, den er sehend gemacht hat.«
»Er ist ein Prophet!«, antwortete der Mann. 
Nun erkennt der Geheilte in Jesus bereits einen Gottesmann, nachdem er ihn zunächst als „der Mann“ titulierte.
 
„Sein Glaube war schon soweit gewachsen, als er die Meinung vertrat, dass Jesus »ein Prophet« sei. Er glaubte, dass der, der ihm das Augenlicht geschenkt hatte, von Gott gesandt war und eine göttliche Botschaft zu verkünden hatte“ (William MacDonald, S. 409).
 
18 Die Pharisäer (wörtlich: Die Juden) wollten ihm aber nicht glauben, dass er blind gewesen war und nun sehen konnte. Sie riefen seine Eltern 19 und verhörten sie: »Ist das euer Sohn? Besteht ihr darauf, dass er blind geboren wurde? Wie ist es dann möglich, dass er jetzt sehen kann?« 20 Die Eltern antworteten: »Wir wissen, dass er unser Sohn ist und blind geboren wurde. 21 Aber wir haben keine Ahnung, auf welche Weise er sehend wurde oder wer ihn sehend gemacht hat. Fragt ihn selbst! Er ist alt genug, um selbst zu antworten.« 22 Sie sagten das, weil sie vor den führenden Männern Angst hatten. Diese hatten nämlich beschlossen, alle aus der Synagogengemeinde auszuschließen, die sich zu Jesus als dem versprochenen Retter bekennen würden. 23 Aus diesem Grund sagten seine Eltern: »Er ist alt genug. Fragt ihn selbst!«
Die Eltern wollen sich raushalten; nehmen die Haltung von Unbeteiligten ein und geben keine verbindliche Antwort.
 
24 Die Pharisäer ließen den Blindgeborenen ein zweites Mal rufen und forderten ihn auf: »Gib Gott die Ehre! Wir wissen, dass dieser Mensch ein Sünder ist!« 25 »Ob er ein Sünder ist oder nicht, das weiß ich nicht«, entgegnete der Mann, »aber eins weiß ich: Ich war blind, und jetzt kann ich sehen.«
„Der Geheilte aber gibt Gott wirklich die Ehre, indem er bei der Wahrheit bleibt“ (Michael Ernst).
 
26 »Was hat er mit dir gemacht?« fragten sie. »Wie hat er dich sehend gemacht?« 27 »Das habe ich euch schon erzählt«, sagte er, »aber ihr habt ja nicht zugehört. Warum wollt ihr es noch einmal hören? Möchtet ihr vielleicht auch seine Jünger werden?«
Möglicherweise ist der ehemals Blinde nun langsam genervt und antwortet den führenden Juden in bissiger Weise.
 
28 Da beschimpften sie ihn und sagten: »Du bist ein Jünger dieses Menschen! Wir aber sind Jünger von Mose. 29 Wir wissen, dass Gott zu Mose gesprochen hat. Aber von diesem Menschen wissen wir nicht einmal, woher er kommt.« 30 Der Geheilte antwortete: »Das ist wirklich seltsam! Ihr wisst nicht, woher er kommt, und mich hat er sehend gemacht!
Dass Jesus vom Vater kommt ist das Geheimnis, das er öfter thematisiert.
 
• Joh 7,29 Ich kenne ihn; denn ich komme von ihm, und er hat mich gesandt.«
 
• Joh 8,14 »Was ich sage, ist wahr«, entgegnete Jesus, »selbst wenn ich mein eigener Zeuge bin. Ich weiß nämlich, woher ich gekommen bin und wohin ich gehe. Ihr aber wisst nicht, woher ich komme und wohin ich gehe.
 
• Joh 17,8 Ich habe ihnen die Worte weitergesagt, die du mir gegeben hast, und sie haben sie aufgenommen. Sie haben erkannt, dass ich wirklich von dir komme, und sind zum Glauben gekommen, dass du mich gesandt hast.
 
31 Wir wissen doch alle, dass Gott das Gebet von Sündern nicht hört. Er hört nur auf die, die ihn ehren und seinen Willen befolgen. 32 Seit die Welt besteht, hat noch niemand von einem Menschen berichtet, der einen Blindgeborenen sehend gemacht hat. 33 Käme dieser Mann nicht von Gott, so wäre er dazu nicht fähig gewesen.«
Der Ex-Blinde belehrt nun seinerseits die theologischen Profis.
 
„Nun wurde der Sarkasmus des Blindgeborenen beißend. Das war etwas, was die Pharisäer nicht erwartet hatten. Der Mann sagte praktisch zu ihnen: »Ihr Männer seid Oberste in Israel. Ihr seid die Lehrer des jüdischen Volkes. Und doch ist hier ein Mann in eurer Mitte, der die Macht hat, Blinden das Augenlicht zu geben, und ihr wisst nicht ›woher er ist‹. Ihr solltet euch schämen!« Der Mann wurde nun mutiger in seinem Zeugnis. Sein Glaube wuchs. Er erinnerte sie an ein Grundprinzip, nämlich »dass Gott Sünder nicht hört (…) Dieser Mann hatte erkannt, dass er der erste in der menschlichen Geschichte war, der ein »Blindgeborener« war und das Augenlicht erhalten hatte. Er konnte nicht verstehen, dass die Pharisäer Zeugen eines solchen Wunders waren und den kritisierten, der es vollbracht hatte.“ (William MacDonald, S. 410).
 
34 Sie erwiderten: »Du bist ja schon von deiner Geburt her ein ausgemachter Sünder, und dann willst du uns belehren?« Und sie warfen ihn hinaus.
„Zu Beginn der Erzählung hatte Jesus das jüdische Vergeltungsdogma (= Zusammenhang von Krankheit und Sünde, vgl. V. 1-3) abgelehnt – hier kramen „die Juden“ es wieder hervor als das, was es wirklich ist: ein ideologisches Instrument zur Unterdrückung von Menschen!“ (Michael Ernst)
 
35 Als Jesus hörte, dass sie ihn aus der Synagogengemeinde ausgeschlossen hatten, suchte er ihn auf
„Der ehemals blinde Bettler sieht Jesus zum ersten Mal – auch dies natürlich ein auch (!) symbolisch zu verstehendes Vorbild unserer eigenen Existenz. Nicht der Geheilte findet Jesus – er kennt ihn ja nicht –, sondern Jesus ihn“ (Michael Ernst).
 
„Es ist, als ob Jesus damit sagen wollte: »Wenn sie dich nicht wollen, dann nehme ich dich auf.«“ (William MacDonald, S. 411).
 
und fragte ihn: »Willst du ganz zum Menschensohn gehören?«
wörtlich: Glaubst du an den Menschensohn?
 
Der Titel Menschensohn weist auf Jesu himmlische Existenz. Nach anderen Übersetzungen: »Glaubst du an den Sohn Gottes?«
 
36 Der Mann antwortete: »Herr, wenn du mir sagst, wer es ist, will ich es tun.« 37 Jesus sagte: »Er steht vor dir und spricht mit dir.« 38 »Herr, ich will dir allein gehören!« (wörtlich: Herr, ich glaube) sagte der Mann und warf sich vor Jesus nieder.
In einer klaren, eindeutigen Entscheidung wendet er sich Jesus zu und drückt in der anbetenden Geste – die Gott allein zusteht – seine vollständige Hingabe zu Jesus aus, der für ihn nun nicht mehr ein Mensch, der Jesus heißt (V. 11) oder ein Prophet (V. 17) ist, sondern der Sohn Gottes!
 
„Der hier zur Sprache kommende „existentiale Dualismus“ oder „Entscheidungs-Rigorismus“ ist typisch für das Johannesevangelium, wonach es bei derart existentiellen Angelegenheiten des Menschen wie Glauben (vgl. auch eine Schwangerschaft) kein Grau gibt, sondern nur Schwarz-weiß, kein „ein bisschen“, sondern nur „entweder – oder“ (Michael Ernst)!
 
39 Jesus sagte: »Ich bin in diese Welt gekommen, damit die Blinden sehend und die Sehenden blind werden. Darin vollzieht sich das Gericht.«
Jesus will explizit keine Gerichtsgewalt ausüben, doch die Menschen richten sich selbst durch ihr Verhalten.
 
„Aber Jesus und sein „Werk“ stellen die Menschen in die Entscheidung – eine Entscheidung, die die Menschen selbst vollziehen“ (Michael Ernst)!
 
40 Einige Pharisäer, die in der Nähe standen, hörten das und sagten: »Soll das etwa heißen, dass wir auch blind sind?« 41 Jesus antwortete: »Wenn ihr blind wärt, würde euch keine Schuld angerechnet. Weil ihr aber sagt: ‚Wir können sehen‘, bleibt eure Schuld bestehen.«
Die Schuld/Sünde der Pharisäer ist „zu behaupten, sehen zu können, und ihn (Jesus) doch nicht als Sohn Gottes zu erkennen (William MacDonald, S. 412).
 
„Wenn sie jetzt behaupten „wir sehen!“, sagen sie damit, dass sie auf die „Werke Gottes“ nicht angewiesen sind, und damit scheiden sie sich vom Licht und werden so zu Blinden (…) Wer meint, ein Sehender zu sein und es deshalb nicht nötig hat, zu Jesus zu kommen, der macht sich selbst blind. Und wer weiß, dass er nicht sieht, kommt zu Jesus, und dem werden die Augen geöffnet“ (Michael Ernst).
 
Komm zu Jesus – er öffnet Dir die Augen!
 

Quelle: Michael Ernst, Perikope zum 4. Fastensonntag (A), http://www.perikopen.de/Lesejahr_A/4Fast_Joh9_1-41_Ernst.pdf

William MacDonald, Kommentar zum Neuen Testament, 1997, http://www.sermon-online.de/search.pl?lang=de&id=7768


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