Verfasst von: gdittrich | 29. Dezember 2020

anders richtig

Gute-Nachricht-Übersetzung

1Kor 14,26 Was folgt daraus für euch, Brüder und Schwestern? Wenn ihr zum Gottesdienst zusammenkommt, kann jeder und jede etwas dazu beitragen: ein Lied vorsingen oder eine Lehre vortragen oder eine Offenbarung weitergeben oder in unbekannten Sprachen reden oder die Deutung dazu geben.

Gottesdienstliche Veranstaltungen im damaligen Korinth sind von vielfältiger Beteiligung geprägt. Das korinthische Gottesdienstmodell gleicht eher unseren heutigen Kleingruppenzusammenkünften, bei denen vieles spontan, sprunghaft, impulsiv und durcheinander geschieht.

Aber alles muss dem Aufbau der Gemeinde dienen.

Bereits in den Versen 3, 5 und 12 wird deutlich, dass der Gemeindeaufbau ein zentrales Anliegen ist.

27 In unbekannten Sprachen sollen zwei oder höchstens drei sprechen, aber der Reihe nach, und jemand soll die Deutung geben. 28 Wenn niemand da ist, der es deuten kann, sollen die Betreffenden schweigen. Sie sollen dann für sich zu Hause reden, wo nur sie selbst und Gott es hören.

29 Auch von denen, die prophetische Weisungen verkünden können, sollen nur zwei oder drei sprechen. Die andern, die diese Fähigkeit haben, sollen das Gesagte beurteilen.

Paulus will nun durch organisatorische Gestaltungsmerkmale einen ordentlichen Ablauf der Gemeindeversammlungen sicherstellen. Gerade für das Reden in unbekannten Sprachen und die prophetische Verkündigung hinsichtlich ihrer Deutung und Beurteilung sollen klare Ordnungsmaßstäbe gelten.

Denn es gibt ja den Kanon des Neuen Testaments als Prüfkriterium noch nicht. Somit muss das Gesagte diskutiert werden. Es muss eine Debatte darüber stattfinden, um den Wahrheitsgehalt des Gesagten zu ergründen.

30 Vielleicht erhält von diesen andern, die dabeisitzen, jemand eine Botschaft, während gerade einer spricht; dann soll der Erste aufhören. 31 Ihr könnt doch alle der Reihe nach sprechen. Dann werden alle etwas lernen und alle werden ermutigt werden. 32 Die prophetisch Begabten werden von ihren Eingebungen nicht überwältigt, sondern haben es selbst in der Hand, wann und wie sie sie weitergeben.

Die Beteiligten an den Gottesdienstveranstaltungen entscheiden eigenverantwortlich, ob sie sprechen oder doch lieber schweigen. Grundsätzlich soll jeder schweigen, wenn er/sie nichts Förderliches beizutragen hat.

33 Gott liebt doch nicht die Unordnung, sondern er schafft Frieden!

Paulus sieht die Unordnung als Gefahr, der begegnet werden muss. Doch gerade beim Begriff ‚Ordnung‘ schwingen für unsere Ohren eher ungute, antiquarisch anmutende Assoziationen mit: starre Anordnung, fügsame Unterordnung, hierarchische Rangordnung.

Anordnung

Wie es bei allen christlichen Gemeinden üblich ist, 34 sollen die Frauen in euren Versammlungen schweigen. Sie dürfen nicht lehren,

Frauen gelten nun als solche, die Unordnung hervorrufen und friedliche Abläufe der Gottesdienste stören würden. Sie haben nicht die Wahl selbst zu entscheiden, ob sie reden oder nicht, sondern es wird ihnen ein Schweigegebot und Lehrverbot aufgrund ihrer geschlechtlichen Anlage auferlegt.

Zum tieferen Verständnis können nun die Verse 28-29 dienen. Denn hier geht es in erster Linie um die Deutungshoheit prophetischer Rede. Frauen dürfen natürlich verkündigen, sobald sie sich an das Tragen einer Kopfbedeckung halten (vgl. Kapitel 11). Sie sollen aber nicht beurteilen, weil sie sich damit erstens über das Schöpfungsverständnis ‚Mann vor Frau‘ überheben und zweitens soziokulturelle Vorstellungen untergraben würden.

Diese Unterscheidung geht auf die hörenswerte Predigt von Jürg Birnstiel zurück, Frauen sind anders, Männer auch – Teil 5/6 – Müssen Frauen wirklich schweigen? 25.02.2001, https://www.sermon-online.de/search.pl?id=4637

Wirken des Heiligen Geistes

Steht aber mit der Betonung von Männern nicht weniger als die vielfältige Entfaltung der Gemeinde auf dem Spiel (vgl. V. 26)? Paulus meint auf die Beteiligung von Frauen bei zentralen Elementen der Gottesdienstgestaltung verzichten zu können und stellt die Frage der individuellen Begabung erst gar nicht.

Dabei ist der Heilige Geist doch der Organisator der Gemeinde, der geistliche Fähigkeiten schenkt und die verschiedenen Gaben zuteilt (vgl. Kap. 12, bes. V.1,4 u. 11). Traut Paulus ihm nicht zu seine eigenen Gabenverteilung zu managen, so dass er steuernd eingreifen müsse?

Doch Gott will uns als Partner im Gemeindebau-Projekt dabei haben. Er bezieht unsere gegenwärtigen Entscheidungen mit ein. Indessen ist klar, dass zukünftige Bewertungen wieder zu anderen Ergebnissen führen könnten. Gott erreicht so und so sein Ziel.

Interessanterweise werden damals die Frauen ausgeschlossen, um die Einheit und Geschlossenheit der Gemeinde sicherzustellen. Heutzutage gilt umgekehrt gerade die Einbeziehung von Frauen als eine Einheit stiftende Tatsache.

Denn heute wird genau entgegengesetzt die Beteiligung von Frauen als moralisch einwandfrei und sittlich angemessen bewertet. Und jegliche Diskriminierung und Ausschließung gilt als skandalös.

Unterordnung

sondern sollen sich unterordnen, wie es auch das Gesetz vorschreibt.

Zur Untermauerung seiner Position holt Paulus wieder das Gesetz hervor?!

35 Wenn sie etwas wissen wollen, sollen sie zu Hause ihren Ehemann fragen. Denn es schickt sich nicht für eine Frau, dass sie in der Gemeindeversammlung spricht.

Die damalige thematische Beteiligung von Frauen an der gottesdienstlichen Veranstaltung geschieht über die Männer. Fragen, die zu Diskussionen führen könnten, werden in den häuslich-familiären Bereich delegiert.

36 Ist denn die Botschaft Gottes von euch in die Welt ausgegangen? Oder ist sie nur zu euch gekommen?

Um den überregionalen Zusammenhalt zu fördern, nimmt Paulus Rücksicht auf die Meinung anderer Gemeinden (vgl. V. 33b). Er verfolgt zu dieser Zeit bereits den Gedanken einer weltkirchlich-zentralistischen Ausrichtung des Christentums.

Doch in der Konsequenz wird hier bereits der Weg zu einer von Männern dominierten Kirche bereitet. Frauen wurden allein wegen ihres Geschlechtes von bedeutsamen Gemeindehandlungen ausgeschlossen. Der Duden definiert es klar als Sexismus, wenn ein Geschlecht dem anderen von Natur aus überlegen sei.

In unserer Zeit entstand gerade aufgrund von Emanzipation und Feminismus ein breiter gesellschaftlicher Prozess, der heute die Gleichberechtigung von Frauen als Menschenrecht festschreibt. Trotzdem bestehen diskriminierende Ansichten, strukturelle Benachteiligungen und Defizite bei der Umsetzung gerechter Geschlechterverhältnisse fort.

Glücklicherweise hat die Gleichberechtigung von Frauen auch in der Gemeinde Einzug gehalten, wenngleich Frauenunfreundlichkeiten und Ungleichbehandlungen auch hier weiterhin zu finden sind. Doch Frauen müssen nicht mehr wegen eines übergeordneten Programms unterdrückt werden.

Rangordnung

37 Wer von euch meint, die Prophetengabe zu besitzen oder vom Geist Gottes erfüllt zu sein, muss auch einsehen, dass meine Anweisungen vom Herrn kommen. 38 Wer das nicht anerkennt, wird auch von Gott nicht anerkannt.

Paulus will die Gläubigen hinter sich scharen und gibt es als Zeichen echter Prophetie aus, anzuerkennen, dass seine Rede von Gott kommt. Heißt das nichts anderes, als dass er engstirnigen Gefolgsgehorsam fordert und sich genötigt fühlt demonstrativ seine Autorität zu behaupten?

Das mag stimmen, aber die Rede vom Geist Gottes erfüllt zu sein, zeigt auch, dass er sich mit seiner Meinung in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes weiß.

39 Meine Brüder und Schwestern, bemüht euch also um die Gabe der prophetischen Rede, hindert aber auch niemand daran, in unbekannten Sprachen zu reden. 40 Nur soll alles anständig und geordnet zugehen.

Paulus beendet das Kapitel mit der bereits zu Beginn behandelten Diskussion Prophetie vs. Reden in unbekannten Sprachen. Er verweist nochmalig auf das Prinzip ‚Ordnung‘ als Mittel, um Gemeinde zu bauen.

Doch bei allen Sperrigen und Spröden ist Paulus Kind seiner Zeit. Er denkt und handelt innerhalb seines sozio-kulturellen Verständnisses. Dabei muss die Gemeinde sich zu jeder Zeit neu erfinden. In der Theologiegeschichte findet man den Ausdruck ‚Ecclesia semper reformanda‘. Dabei geht es nicht um eine Anpassung an den jeweiligen Modetrend – ist doch der Heilige Geist auch Herr über den Zeitgeist.

Es geht um die ständige geistliche Erneuerung, die sich dann wieder in veränderten Strukturen zeigt. Was bleibt ist, dass Gott durch den Gebrauch der Geistesgaben verherrlicht wird.


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